Diskussion: Zur Position des Deutschen Zigarettenverbands

Zigaretten vor einer Parkbank
Foto: Die Afheber

DISKUSSION
Antworten auf die Position des
Deutschen Zigarettenverbands (DZV)

  • „Die Mehrheit der Raucherinnen und Raucher verhält sich vorbildlich“

  • „Ein Pfandsystem für Zigarettenmüll ist weder nachhaltig noch kosteneffizient“

  • „Für ein Rückgabesysteme müssten Herkunft und Zustandsform klar erkennbar sein“

  • „Hygienische Vorschriften machen ein solches System unmöglich“

  • „Aufklärung der Verbraucher und ein konsequentere Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten sind der Schlüssel“

Im September 2019 haben wir ein persönliches Gespräch mit Jan Mücke, dem Geschäftsführer des Deutschen Zigarettenverbands geführt um die weitere Ausgestaltung unseres Konzepts für ein Zigarettenpfand zu erörtern. Unser erklärtes Ziel war es dabei, nach Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zu suchen. Dies lehnte der DZV leider ab und forderte die Rücknahme unserer Petition. Da wir selbstverständlich den Wunsch des DZV respektieren, seine Positionen nicht aus dem Protokoll dieses Treffens zu zitieren, kommentieren wir hier Äußerungen aus der Kolumne CAUSA des Tagesspiegels vom 16. August 2019 (Jan Mücke: Pfandsystem für Zigaretten: Unüberwindbare Anwendungshürden in der Praxis).
Anmerkung: In derselben Ausgabe des Tagesspiegels befindet sich auch eine Darstellung von uns; diese erschien jedoch ohne unsere vorherige Kenntnis des Textes von Herrn Mücke. Bei den im Folgenden kursiv und in Anführungszeichen gesetzten Passagen handelt es sich um Zitate aus seinem Beitrag.

„Die Mehrheit der Raucherinnen und Raucher verhält sich vorbildlich“

Die Mehrheit der Raucherinnen und Raucher verhält sich vorbildlich und entsorgt den Zigarettenmüll in den dafür vorgesehenen öffentlichen Abfallbehältern. Achtlos weggeworfene Kippen sind hingegen Ausdruck eines Fehlverhaltens. Doch nur ein geringer Teil der Konsumenten lässt diesen Abfall auf dem Bürgersteig, der Straße oder in der Natur liegen.“

Wir haben den DZV um Belege für diese Annahme gebeten; die Anfrage blieb jedoch bisher unbeantwortet. Wir geben zu bedenken: Selbst wenn eine noch größere Menge von Zigaretten in den dafür vorgesehenen öffentlichen Abfallbehältern entsorgt wird als auf dem Boden (was wir bezweifeln), wird wohl niemand behaupten, dass nur vereinzelt Kippen herumliegen, die wir vernachlässigen können. Basierend auf aktuellen Studien gehen wir davon aus, dass deutlich mehr als die Hälfte aller in Deutschland gerauchten Zigaretten direkt in die Umwelt entsorgt werden.

„Ein Pfandsystem für Zigarettenmüll ist weder nachhaltig noch kosteneffizient“

„Pfandsysteme sind sinnvoll, um ein Produkt, eine Verpackung oder einen Rohstoff wiederzuverwerten oder zurück in den Wertstoffzyklus zu führen. Für weggeworfene Zigarettenkippen gilt dies aus heutiger Sicht nicht.“

Selbst wenn ein Pfandsystem lediglich dazu diente, der Umwelt die gigantischen Mengen toxischen Zigarettenabfalls zu ersparen, die sie heute verkraften muss, wäre es unserer Ansicht nach bereits vollständig legitimiert. Zu bereits bestehenden Möglichkeiten des Recyclings siehe den Menüpunkt DIE LÖSUNG > Recycling von Zigarettenkippen und Verpackungen.

„Es wäre eine enorme Infrastruktur und Logistik rund um das Sammel- und Pfandsystem erforderlich: Rücknahmestellen, Kennzeichnungen, Transporte und Reinigung und eine Vorleistung der Händler.“

Die aktuell diskutierten Alternativen zu einem Pfand versprechen leider keinen Erfolg (siehe: DISKUSSION > (Keine) Alternativen zum Pfand). Es stellt sich also die Frage: Leben wir und die Organismen unserer Umwelt mit den Kippen oder stellen wir uns auch komplizierteren Herausforderungen?

„Wohlgemerkt,“ geht es bei dem vorgeschlagenen Pfandsystem nicht darum, „wertvolle Rohstoffe zurückzugewinnen, sondern um Abfall ordnungsgemäß zu entsorgen, weil die Konsumenten es nicht tun.“

Wie bereits ausgeführt, gibt diese Behauptung unsere Position nur unzureichend wieder. Abgesehen davon: Erfreulich, dass die anfängliche Behauptung, nur ein geringer Teil der Konsumenten ließe Zigarettenkippen auf dem Bürgersteig, der Straße oder in der Natur liegen, hier berichtigt wird.

„Dies ist weder nachhaltig noch kosteneffizient.“

Die nachhaltigste Lösung wäre die Einstellung der Produktion und des Vertriebs von Rauchwaren. Wenn wir das nicht wollen, kommt die zweit-nachhaltigste Variante ins Spiel und diese ist bis auf Weiteres ein Pfandsystem. Zum Punkt Kosteneffizienz: „Umweltpolitische Instrumente sind kosteneffizient,“ definiert Gablers Wirtschaftslexikon, „wenn es keine anderen Instrumente gibt, die die gleiche Immissionsbelastung bei gegebener Technologie mit niedrigeren Kosten ermöglichen.“ Da bisher keine wirksamere Alternative zur Beseitigung von Zigaretten-Immissionen aufgezeigt werden konnte, ist das Pfand nach dieser Definition sehr wohl kosteneffizient.

„Wir als Verband sind interessiert an Konzepten für das Recycling von Zigarettenkippen, …“

Aus diesem Grunde wären wir gerne in einen Dialog mit dem DZV eingetreten und bieten dies nach wie vor an.

„…aber es hat sich gezeigt, dass diese Systeme bisher weder ökologisch noch wirtschaftlich sinnvoll oder nachhaltig sind.“

Zu diesem Punkt wären wir dankbar für weitere Ausführungen. Wie hat sich dies gezeigt?

„Die Zigarettenverpackungen sind aus Pappe mit Cellophanumwicklung und werden bereits getrennt gesammelt und der Verwertung zurückgeführt. Die Hersteller erfüllen hier die Pflichten der Verpackungsverordnung und zahlen Gebühren.“

Geht man von dem Schluss des Rats für nachhaltige Entwicklung in Deutschland aus (zitiert in der Süddeutschen Zeitung vom 11.5.2017), dass tatsächlich etwa 80% des Papiermülls in Deutschland rezykliert werden, erscheint diese Einschätzung angesichts des hohen Anteils von Pappe der Zigarettenpackungen zunächst einmal plausibel. Jedoch ist folgendes zu bedenken. Von vornherein vom Recycling ausgenommen sind jene Millionen von Packungen die aus Autofenstern fliegen oder auf ähnlichen Wegen direkt in die Umwelt entsorgt werden. Weiterhin davon ausgenommen sind alle Verpackungen, die von Ihren NutzerInnen nicht getrennt sondern direkt dem Restmüll oder falschen Recyclingtonnen übergeben werden. Übrig bleibt eine vermutlich relativ kleine Anzahl von Verpackungen, die auseinandergenommen und als Papiermüll (Pappverpackung), Plastikmüll (Cellophanumwicklung) und Restmüll (metallbedampfte Innenverpackung) getrennt entsorgt werden. Diese werden dann in der Tat einer „Verwertung“ zugeführt, was aber deren Verbrennung (die sog. thermische Verwertung) und Müllexporte mit oft fragwürdigem Ziel beinhaltet. Eine Studie der Conversio Market & Strategy GmbH kommt zu dem Schluss, dass lediglich 47% der deutschen Kunststoffabfälle (ergo auch der Cellophanumwicklungen) stofflich wieder verwertet werden und dies beinhaltet Exporte, bzw. (angebliches) Recycling im Ausland. Dass nicht der gesamte deutsche Kunststoffmüll wie vorgesehen im Ausland rezykliert wird, gilt als sicher (siehe etwa diesen Bericht des Bayrischen Rundfunks über die illegale Verbrennung deutscher Abfälle in Polen). Die oben zitierte Aussage kann also keinesfalls als Argument dafür gelten, dass Zigarettenverpackungen bereits ökologisch sinnvoll behandelt werden.

„Für ein Rückgabesysteme müssten Herkunft und Zustandsform klar erkennbar sein“

„In Deutschland werden übrigens nicht nur Tabakprodukte und Zigaretten konsumiert, die hier gekauft werden. In Berlin beträgt der Anteil der nicht in Deutschland versteuerten Zigaretten am Gesamtverbrauch 48 Prozent, bundesweit sind es fast 20 Prozent. Filter von anderen Tabakprodukten, Kippen von Touristen, geschmuggelte Zigaretten werden hier nicht erfasst. Für Rückgabesysteme müsste die Herkunft aber klar erkennbar sein.“ 

Seit 20. Mai 2019 müssen die Vorgaben aus der EU-Tabakprodukterichtlinie (2014/40/EU; TPD II) im nationalen Recht umgesetzt werden. Damit werden in mehreren Schritten Regelungen verbindlich, die die Rückverfolgung der Lieferkette jeder einzelnen Zigarettenpackung ermöglichen. Ab dem 20. Mai 2024 sollen hierfür alle Tabakerzeugnisse mit individuellen Erkennungsmerkmalen versehen werden. Das Ziel ist es, dem Problem illegaler/geschmuggelter Ware zu begegnen. Wir wünschen uns zwar eine schnellere Einführung des Zigarettenpfandes aber spätestens dann sollte es für einen Scanner an einem Kippen-Rücknahmeautomaten kein Problem sein, die Herkunft der Packung zu identifizieren. Nach unserem Konzept erfolgt die Erstattung des Pfandes nur wenn gleichzeitig die Verpackung und ihr benutzter Inhalt (alle gerauchten Zigaretten) zurückgegeben werden. Ob eine als inländisch identifizierte Packung dann mit denselben 20 Zigaretten zurückgegeben wird, die ursprünglich in ihr verkauft wurden, ist für das System unerheblich. Im Übrigen würde uns auch hier interessieren, von wem und mit welcher Methode die angegeben Mengendaten zu nicht in Deutschland versteuerten Zigaretten erhoben worden sind. Unsere Anfrage hierzu blieb vom DZV bisher unbeantwortet.

„Ganz problematisch wäre das System bei der Verwendung von Filtern für Drehtabak, deren Herkunft noch weniger eindeutig identifizierbar wäre.“

Auch hier kann ein Pfandsystem an das beschriebene, von der EU geforderte „Track-and-Trace“-Verfahren andocken: Das Pfand muss beim Verkauf der Filter einbehalten werden und wird nur bei Rückgabe von deren Originalverpackung und allen gebrauchten Filtern erstattet.

„Der Aufbau eines Pfandsystem ist zudem nur dann möglich, wenn das Pfandgut beim Rücknahmesystem eindeutig erkennbar ist. Zigarettenstummel sind in unterschiedlichen Zustandsformen, abhängig von Qualität und Verrottungszustand, allerdings nicht immer eindeutig als Pfandgut identifizierbar. Da sie aus Zelluloseacetat bestehen und sich in wenigen Monaten zersetzen – bei der neuesten Filtertechnologie innerhalb von 60 Tagen – wäre eine eindeutige Zugehörigkeit zum Pfandsystem nicht verifizierbar.“

Wir gehen nicht davon aus, dass viele RaucherInnen ihre Zigaretten einem Verrottungsprozess aussetzen bevor sie sich das Pfand zurück holen.

„Hygienische Vorschriften machen ein solches System unmöglich“ 

„Es müssten darüber hinaus eigene Sammelbehälter für Kippen entwickelt werden, die hitzebeständig, auslauf- und geruchssicher sind, möglicherweise aus Metall oder metallbeschichteten Grundmaterialien. Bei diesem Prozedere müssten auch die hygienischen Anforderungen an das Herstellen, Behandeln und den Verkauf von Gebrauchsgegenständen und Lebensmitteln berücksichtigt werden. Vor allem in Verkaufsräumen des Einzelhandels.“

Das sehen wir auch so.

„Ein Pfandsystem für Zigaretten dürfte kaum unter Einhaltung hygienischer Mindeststandards möglich sein.“

Erneut wären wir dankbar für Details zu diesem Einwand und nehmen dann gerne dazu Stellung. Selbstverständlich sind hygienische Aspekte beim Prozessdesign zu berücksichtigen.

„Die Idee trifft deshalb auf unüberwindbare praktische Anwendungshürden. Schon heute sind Zigaretten das am stärksten mit Steuern und öffentlichen Abgaben belastete Konsumgut. Ungefähr drei viertel des Einzelverkaufspreises einer Schachtel gehen über die Tabak- und die Umsatzsteuer an den Staat. Weitere finanzielle Belastungen der Konsumenten sind deshalb kontraproduktiv, weil ein Ausweichen in geschmuggelte oder gefälschte Zigaretten die unweigerliche Folge wäre.“

Wir weisen auf die Natur des Pfandes hin. Ein Geldbetrag wird hinterlegt und gebunden an Auflagen, später zurückerstattet. Eine finanzielle Belastung der KonsumentInnen ergibt sich hieraus nicht. Dennoch ist uns natürlich bewusst, dass die Einführung und Verwaltung eines Pfandsystems finanziert werden muss und dass die Industrie die ihr entstehenden Kosten an ihre KundInnen weiter geben muss (zumindest, wenn sie ihre Gewinnmarge in gleicher Höhe aufrecht erhalten möchte). Wir fordern jedoch keine pauschale Verpflichtung der Zigarettenindustrie, die Lasten für ein Pfandsystem allein zu tragen, da durch entfallende Reinigungsaufwendungen (Straßenreinigung, in Kläranlagen, etc.) auch der Staat Kosten einspart. Gleichwohl sind wir der Meinung, dass Entsorgungskosten vom Verursacher getragen werden sollten. Ein Pfandsystem gestaltet dies besonders fair, da bei der Entsorgung von Kippen im öffentlichen Raum jede/r RaucherIn unmittelbar zur Kasse gebeten wird. Insbesondere werden der bislang unbilanzierte Aufwand von tausenden Freiwilligen und ImmobilieneigentümerInnen entfallen, die sich derzeit zur Beseitigung von Kippen gezwungen sehen wenn sie den Missstand nicht ignorieren wollen.

Zu diesem Thema siehe auch: DIE LÖSUNG. Pfand und Rückerstattung

„Aufklärung der Verbraucher und ein konsequentere Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten sind der Schlüssel“ 

„Vielen Raucherinnen und Rauchern ist gar nicht bewusst, dass sie eine Ordnungswidrigkeit begehen, wenn sie ihre Zigarettenkippe auf dem Boden entsorgen. Daher ist neben einer allgemeinen Verbraucheraufklärung auch ein konsequenterer Vollzug bestehender ordnungsrechtlicher Bestimmungen erforderlich, um eine dauerhafte Sauberkeit von Stränden und Städten zu gewährleisten. Zugleich sind die Städte und Gemeinden auch gefordert, die kommunale Infrastruktur zu verbessern. Beispielsweise mit mehr Abfallbehältern für Zigarettenkippen.“

Hierbei handelt es sich um wünschenswerte Begleitmaßnahmen zu einem Zigarettenpfand. Dass sie allein keinesfalls in der Lage sein werden, das Problem zu lösen, begründen wir ausführlich im Menüpunkt DISKUSSION > (Keine) Alternativen zum Pfand.